Auf der Hochterrasse des östl. Lechrains, 6 Kilometer südlich von Landsberg, zwischen den Ortschaften Ummendorf und Stadl, liegt das Pfarrdorf Stoffen (663 m ü. d. M.). Es ist hineingebettet in eine sanfte Mulde mit freiem Blick nach Westen, wo der Namensvetter Stofferberg jenseits des Lechflusses herübergrüßt, als wollte er bestätigen, wie sehr sich beide – Berg und Dorf – bemühen, mit ihren Namen ein Stück deutscher Geschichte wachzuhalten. Wenn auch Stoffen im Laufe der Jahrhunderte keine Rolle in der Geschichte zugeteilt war, so ist doch seine ständige Besiedlung seit langer Zeit nachweisbar und daher bemerkenswert. Die erste Anwesenheit des Menschen im Raum des heutigen Stoffen wird im 1. Jahrtausend v. Chr. vermutet, worauf zahlreiche Hügelgräber in der näheren Umgebung hinweisen. 3 kleinere Gruppen von insgesamt 19 Hügeln liegen in der Ortsflur im Schlegelwald verstreut. Die erste urkundliche Nennung des Ortes Stoffen geschieht im Jahre 1030 im Zusammenhang mit den hier ansässigen Herren von Stouphen. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat sich der heutige Ortsname von diesem Geschlecht abgeleitet, wobei wir die Abwandlung aus dem althochdeutschen Wort stouf, stauf, – Fels, Stein, wohl auch „steil“, als sprachliche Grundlage annehmen und mit Stoffersberg und Staufen in Verbindung bringen dürfen. Das kleine Wahrzeichen von Stoffen, der Fuchslochberg, ist eine schöne Aussichtshöhe. Er trug im Mittelalter einen Burgstall, von dem noch Spuren vorhanden sind. Mächtige Tuffquadern wurden hier vor dem ersten Weltkrieg ausgebrochen. Hart östlich des Fuchslochberges befinden sich die sog. „Ziegeläcker“. Dort wurde früher, abgesetzt in einem eiszeitlichen Stausee, Ton gegraben. Nach der ersten urkundlichen Nennung Stoffens berichten die Klosterannalen von Polling aus der Zeit von etwa 1065 bis 1275 über den Ort. Ein Perchtold von Stouphen ist im Jahre 1065 in einer Urkunde als Zeuge dafür erwähnt, daß eine edle Frau Beatrix ein Gut in Usingen, dem heutigen Issing, dem Kloster Wessobrunn schenkt.
Sein Sohn Perchtold bezeugt im Jahre 1110 eine Schenkung Welfs IV. an das Kloster Rottenbuch. Der Nachfolger Perchtolds, Friedrich von Stouphen, ist Zeuge der Schenkung einer vornehmen Frau Mathilde, die ein Gut in Mülhausen an das Kloster St. Ulrich-Afra in Augsburg gab. Zur gleichen Zeit erscheinen auch die Freiherren Aribo und Dietmar von Stouphen. Im Jahre 1129 tritt Richnissa von Stouphen ins Frauenkloster Wessobrunn ein. Ihr Bruder Werinhard schenkt einen Teil seiner Güter der dortigen Abtei und tritt in den Orden ein. Sein Sohn, Heinrich von Stouphen, ein streitsüchtiger und eigennütziger Vogt der Wessobrunner Klostergüter, wurde ein Vertrauter Heinrichs des Löwen und hatte später seinen Wohnsitz in „Phetine“. Er starb im Jahre 1192 und wurde in Anwesenheit des Herzogs Ludwig I. und einiger Bischöfe, darunter auch des Bischofs Adelschalk von Augsburg und des Bischofs Heirich von Chur, in Landsberg beerdigt. Auch noch im 13. und 14. Jh. sind in den Urkunden die Herren von Stouphen genannt. So soll Bischof Albert, der 1409 in Regensburg geweiht wurde, aus dem Geschlecht der Herren von Stouphen hervorgegangen sein. Nach dem Tode Heinrichs gingen die Besitzungen der Stoffener in die Hände der Pflugdorfer und Hunthammer, später an die Pittrich’schen Hofmarkherren über. Aus Schenkungen hatten schon früher die Kloster Wessobrunn und Hl. Berg (Andechs) Güter in Stoffen. Die Beziehungen insbesondere zum Kloster Andechs waren daher besonders eng.
Schon in seinen Anfängen war der Ort Pfarrei. Als frühester Pfarrherr, der die Seelsorge von 1171–1200 ausübte, ist ein „sacerdos de Stouphe“ Rapoto bekannt. Vom Jahre 1591 ab erhielt das Kloster Andechs durch die Bulle des Papstes Paul V. das Recht zur Besetzung der Pfarrei Stoffen. Die Inkoporation erfolgte 1605 und dauerte bis zum Jahre 1803. Viele treffliche Männer haben als Pfarrer während dieser Zeit und nach der Säkularisation in Stoffen gewirkt und sind seinen Bewohnern in guten und schlechten Jahren beigestanden. Um die Wende vom 18. zum 19. Jh. ist die Zahl von 63 Wohngebäuden überliefert. Darunter befanden sich auffallend viele Söldnerhäuser (54), denen nur 3 ganze Höfe (Kussenbauer, Schnaggenbauer), 4 Halbhöfe und ein 3/8-Hof gegenüberstehen. Unter den Grundherren lag an der Spitze das Kloster St. Ulrich in Augsburg; es folgten die Gemeinde (12), die Klöster Rottenbuch (11), Wessobrunn (10) und Andechs mit 4 Anwesen. Grundherrschaftliche Rechte übten auch – ein höchst seltener Fall im Gebiet – 3 größere Bauern des Ortes selbst aus. Durch alle Jahrhunderte ist Stoffen ein Bauerndorf geblieben. Neben der Landwirtschaft wurde vielfach die Strohflechterei betrieben, weil stets Material und Bedarf vorhanden waren.
Stoffen ist auch der Geburtsort des berühmten Landsberger Kusttöpfers Adam Vogt (geb. um 1570), der die prachtvollen Öfen für das Augsburger Rathaus schuf.
Der 30-jährige Krieg machte auch hier vor seiner offenen Flur nicht halt. Zwar ist von besonderen Ereignissen in Stoffen nichts mehr bekannt, aber der damalige Pfarrer Molitor, der die lange und schwere Zeit von 1615–1656 in der Pfarrei wirkte, berichtete vom Niedergang der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Die Geschichte von der Schwedenkapelle, am Ortsausgang in Richtung Pitzling hat sicherlich einen historischen Hintergrund: Schwedische Soldateska trieb sich plündernd in der Gegend von Stoffen herum, so dass die Bewohner mit Recht um ihren Ort bangten. In ihrer Bedrängnis gelobten sie eine Kapelle zu bauen, wenn sie vom Feind verschont blieben. Plötzlich aufsteigende Nebel zwangen die unsicher gewordenen feindlichen Soldaten an der Stelle, an der die Kapelle heute steht, zur Umkehr.
Von unglücklichen Ereignissen ist die große Feuersbrunst im Jahre 1691 überliefert, nach der die Gemeinde beschlossen hatte, am Tage der heiligen Agatha eine Feiertag zu halten. Ein weiterer Schicksalsschlag traf die Gemeinde am 8. Mai 1797, als bei einem erneuten Brandunglück 25 Wohngebäude eingeäschert wurden. Das Ausmaß des Schadens war so groß, dass mit kurfürstlicher Genehmigung eine Landessammlung veranstaltet wurde, die aus verschiedenen Städten Bayerns den Betrag von mehr als 1500 Gulden einbrachte. Der Zehentstadl beim Pfarrhaus war erhalten geblieben und ist mit seinen Tuffsteinmauern heute noch Zeuge vergangener Jahrhunderte.
Die im südöstlichen Ortsteil stehende Pfarrkirche Mariä Heimsuchung wurde um 1740 grundlegend umgestaltet. Der dreiseitige Chor und der Unterbau des Turmes an der Nordseite gehen auf einen spätgotischen Bau zurück; der Oberteil mit Spitzhelm wurde erst 1866 errichtet. Der beachtenswerte Innenraum zeigt einen Wandgliederung durch korinthische Doppelpilaster und ein Spiegelgewölbe mit Stichkappen. Das Deckenbild im Langhaus (Maria Himmelfahrt) ist bezeichnet „1739“, aus derselben Zeit die gute Stuckdekoration aus Laub- und Bandelwerk. Der spätbarocke Hochaltar enthält ein schönes, um 1700 gemaltes Blatt Mariä Heimsuchung; die beiden Seitenaltäre mit Bildern des 19. Jhs. und die reizvolle Kanzel mit den Evangelisten am Corpus stammen aus der 2. Hälfte des 17. Jhs. An den Wänden des Langhauses stehen barocke Apostelfiguren in weiß-goldener Fassung, wie hervorragende Plastiken im Chor St. Georg, St. Michael und andere sind von Johann Luidl bzw. dessen Vater Lorenz (Kanzelfiguren). Die Kirche verdankt ihren erfreulichen Gesamteindruck einer Renovierung 1959/1960. Westlich des Dorfes am Weg nach Pitzling steht unter einer Linde die Kapelle „Unseres Herren Ruhe“, auch Schwedenkapelle genannt, die 1697 neu erbaut wurde. Der Spitzturm mit der westlichen Vorhalle entstand 1862 in neugotischen Formen. Die Kapelle enthält drei Altäre aus der Mitte des 18. Jhs. und ein barockes Gestühl; auf dem Hochaltar Christus in der Rast, rechts guter hl. Michael. Das Pfarrhaus westlich der Kirche ist ein ansprechender Bau aus dem Jahre 1686. Der letzte Zehentstadel steht bei Hof Stadlerstraße 7. Das ehemalige Gasthaus Stadlerstraße 4 stammt aus der Zeit des großen Dorfbrandes 1797.
Nach Beendigung des 30-jährigen Krieges entwickelte sich in Stoffen das Schulwesen. Tüchtige Schulmeister mühten sich mit den Kindern ab, die nur nach dem Willen der Eltern zur Schule gingen. Der Unterricht wurde in der Wohnung des Lehrers abgehalten und meist nur im Winter. Zu Beginn des 19. Jhs. waren Bestrebungen im Gange, eine regelrechte gemeindliche Schule zu errichten. Zu diesem Zwecke wurde das Anwesen Nr. 5 im Jahre 1859 erworben und umgebaut. Im Herbst 1861 konnten die Kinder ihr erstes gemeindliches Schulgebäudes beziehen. Zwei weitere Errungenschaften dienten dem Gemeindewohl: die Gründung der freiwilligen Feuerwehr im Jahre 1875 und der Bau einer Wasserleitung aus den Quellen der Teufelsküche bei Pitzling im Jahre 1878.
Aus der Bevölkerungsbewegung ist zu erwähnen, dass schon im Jahre 1450 19 Häuser und Herdstätten vorhanden waren, um 1770 zählte man bereits 60 und im Jahre 1825 gab es in Stoffen 63 Häuser mit 78 Familien und ca. 300 Personen. Die Einwohnerzahl bleib dann bis zum Jahre 1939 annähernd gleich, so 1855 mit einem Stand 337 Einwohnern, 1900 mit 342 und 1939 mit 335 Personen. Durch den Zustrom von Evakuierten (sic!) und besonders Flüchtlingen stieg die Einwohnerzahl im Jahre 1946 auf 575, davon 185 Heimatvertriebene. Die Zählung im Jahre 1961 ergab einen Bevölkerungsstand von 457 Personen, die von 1970 442 Personen.
Von den Kriegen der letzten 100 Jahre verlangte der 2. Weltkrieg von Stoffen besonders große Menschenopfer: 1870/71 6 Einberufenen, 1 Gefallener; 1914/18 51 Einberufene, 5 Gefallene; 1939/45 56 Einberufene, 29 Gefallene.
Die Jahre nach dem 2. Weltkriege galten in besonderem Maße den neuen Problemen, die durch den Nachholbedarf und infolge der großen Bevölkerungsbewegung zur Lösung drängten. Die Ortsdurchfahrt und die Verbindungsstraßen zu den Nachbargemeinden Stadl, Lengenfeld, Ummendorf und Pitzling wurden ausgebaut und geteert, der Friedhof renoviert, neue Glocken und einen neue Orgel angeschafft, sowie die längst drängende Flurbereinigung durchgeführt. Die Wasserleitung wurde verstärkt und die Ortskanalisation gelegt. Für Heimatvertriebene ergaben sich im südlichen Teil der Gemeinde günstige Siedlungsmöglichkeiten, um die Wohndichte aufzulockern. Schließlich wurden auch noch Verbesserungen in der Schule und Lehrerdienstwohnungen vorgenommen.
Das Vereinsleben ist in Stoffen recht lebendig. Schon im Jahre 1876 wurde der Schützenverein „Edelweiß“, im Jahre 1887 der Krieger- und Veteranenverein und im Jahre 1927 der Gesangsverein „Harmonie“ gegründet. 1948 folgte der Fußballclub und 1951 gründete sich der GebirgsTrachtenErhaltungsVerein „D’Fuchsbergler“ Stoffen e.V. Dem wirtschaftlichen und bäuerlichen Leben dienen schließlich noch die Raiffeisenkasse (seit 8.12.1890) und der Obst- und Gartenbauverein.
Seit der Jahrhundertwende machten sich folgende Bürgermeister um die Geschicke der Gemeinde Stoffen verdient: 1894–1910 Georg Huber, 1911–1929 Johann Harrer, 1930 bis 1942 Max Schön, 1943–1946 Ignaz Schön, von 1947 bis zum 30 Juni 1972 Peter Harrer, welcher in den Jahren 1949–1953 auch Mitglied des Kreistages war.
In der Freiwilligenphase der Gemeindereform gab die politische Gemeinde Stoffen ihre Selbständigkeit auf und gliederte sich in die Gemeinde Pürgen als Einheitsgemeinde ab 1. Juli 1972 ein. Dies geschah nicht ohne schmerzliche Erinnerung an die jahrhundertelange Eigenständigkeit.
Uneingeschränkt geht das kulturelle und aktive Vereinsleben in Stoffen weiter. Jüngste bauliche Maßnahmen waren 1980 der Ausbau des Wirtschaftsweges zur Frauenwies, die Renovierung der Pfarrkirche Maria Heimsuchung, innen und außen, womit diese wieder zu einem Schmuckkästchen geworden ist (beendet 1981). Auch die Schwedenkapelle auf dem Wege nach Pitzling ist wieder instandgesetzt und soll weiterhin an die Dankbarkeit der Stoffener Bauern wegen überstandener Kriegsgefahr erinnern.
Quelle: Landrat Bernhard Müller-Hahl: Landsberger Kreisheimatbuch. Heimatbuch für den Landkreis Landsberg am Lech mit Stadt und allen Gemeinden, Landkreis Landsberg am Lech (Hsrg.), 2. überarbeitete Auflage, 1982